
LSB und Sportbünde machen sich für Schritte weg von der Bewegungsarmut stark / Schreiben an Sportminister und Offener Brief an Landesregierung
„Es geht um die Rolle des Sports als soziale Tankstelle unserer Gesellschaft“
14.04.2021 – Landessportbund Rheinland-Pfalz
In der aktuell gültigen 18. Corona-Bekämpfungsverordnung hat sich klar gezeigt: Es gibt nicht nur ein Stoppschild für ursprünglich mal angedachte Öffnungsschritte, sondern bereits deutliche Einschränkungen ab einer regionalen Inzidenz von über 50 und damit in (Stand bei Redaktionsschluss am 12. April) allen 36 Kreisen und kreisfreien Städten des Landes. Die Verordnung sowie die drei dazugehörigen Muster-Allgemeinverfügungen haben im organisierten Sport für Unverständnis gesorgt. „Dass der organisierte Sport erneut – die 17. CoBeLVO nehmen wir ausdrücklich von dieser Kritik aus – nicht oder nicht rechtzeitig informiert war, nehmen wir mit Verwunderung zur Kenntnis“, schreiben LSB-Präsident Wolfgang Bärnwick und Hauptgeschäftsführer Christof Palm an Lewentz. „Wir bitten die Landesregierung ausdrücklich – obgleich uns auch bekannt ist, dass auch das MdI spät bis gar nicht über die Inhalte der neuen Verordnung informiert war – uns zukünftig in die Gestaltung der auf den Sport bezogenen Paragraphen mit einzubeziehen und uns frühzeitig über ein Erscheinen neuer Verordnungen in Kenntnis zu setzen. Nur so können wir unserer Aufgabe als Interessenvertreter von 6.000 Sportvereinen und fast 1,4 Millionen Mitgliedern gerecht werden und unserer Aufgabe der Beratung von Vereinen und Verbänden nachkommen.“
Der organisierte Sport habe die jeweiligen Regelungen in den vergangenen Monaten stets solidarisch mitgetragen. „Auch wenn Öffnungsschritte in der Pandemiebekämpfung aktuell nicht das große Thema sind und eher weiter verschärfende Maßnahmen diskutiert werden, sind wir mit den aktuell geltenden Regelungen zum organisierten Sporttreiben bei höheren Inzidenzzahlen (> 50 , > 100 und > 200) nicht einverstanden“, schreibt der LSB weiter. „Vielmehr verweisen wir auf die bereits mehrfach in Gesprächen geäußerte bzw. schriftlich kommunizierte Minimalforderung, dass im Vereinssport fünf Personen plus Trainer aus verschiedenen Haushalten im Freien und unter strikter Einhaltung der Abstandsregel unabhängig von Inzidenzzahlen Sport treiben können. Diese Möglichkeit – flankiert von mittlerweile erprobten und bewährten Hygienekonzepten auch mit Hinweisen zum Verhalten vor und nach der Trainingseinheit – birgt auch nach Ansicht von Experten (siehe auch Interview auf Seite 12) keine systematischen Infektionsrisiken.“
Dafür führen LSB und Sportbünde vier Argumente an:
1. Wenn man das Sporttreiben in „nicht organisierter Form“ beobachtet, fällt auf, dass Spielplätze, Bolzplätze, Parkanlagen, Laufstrecken u.v.m. rege und meist ohne Regeleinhaltung genutzt werden. Auch das Laufen, Walken und Radfahren in nicht organisierten Gruppen findet oft gegen die bestehenden Regeln statt. Der organisierte Sport hat die Möglichkeit, einen geordneten Sportbetrieb anzubieten. In vielen Jahrgängen sind 60 bis 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Sportverein. Fazit: Eine Möglichkeit organisierten Sporttreibens vermindert den Anteil nicht regelkonformen unorganisierten Sporttreibens.
2. Das regelmäßige Sporttreiben im Freien unter Anleitung fördert die Gesundheit, insbesondere ein starkes Immunsystem, die Psyche etc. Auch in diesem Sinne ist ein minimales Sportangebot hilfreich für alle.
3. Es gibt immer wieder Bereiche außerhalb des Sports, in denen Settings sogar mit höheren Risiken ermöglicht werden. Aktuelles Beispiel ist der Unterricht in Schulen, bei dem die Schüler*innen über lange Zeit in geschlossenen Räumen zusammen sitzen. Die Wege in die Schule und nach Hause sind Quell einer Vielzahl von Kontakten teils ohne Maske und teils ohne Einhaltung des Abstandsgebots. Zudem weisen wir darauf hin, dass auch die Benachteiligung des Breitensports gegenüber dem Reha-Sport nicht angemessen erscheint.
4. Wir beobachten eine immer geringer werdende Bereitschaft der Bevölkerung, Regeln einzuhalten. Wir beobachten auch, dass die Regeleinhaltung kaum kontrolliert wird bzw. kontrollierbar ist. Die ständig wechselnden Regeln und deren Komplexität leisten ebenfalls einen Beitrag zur „Ermüdung“. Die Aufrechterhaltung eines minimalen Sportangebots leistet auch bei sehr hohen Inzidenzzahlen in konstanter Form einen Beitrag zur grundsätzlichen Zufriedenheit und Lebensfreude.
Mit Blick auf die (Stand 12. April) möglicherweise bundesweit zu erwartenden einheitlichen Standards oder Regelungen, die auch den organisierten Sport betreffen werden, hat der LSB Roger Lewentz sowohl in seiner Rolle als rheinland-pfälzischer Sportminister, aber auch in seiner Funktion als Vorsitzender der nationalen Sportministerkonferenz Vorschläge bzw. Forderungen unterbreitet. „Sollte es bei länderspezifischen Regelungen bleiben, müssten aus unserer Sicht unbedingt die Forderung I neu mit aufgenommen und die Forderungen II und III korrigiert werden“, so Christof Palm.
Forderung I (Minimalforderung): Im Vereinssport können fünf Personen plus Trainer - unabhängig vom Alter und von Inzidenzwerten - aus verschiedenen Haushalten im Freien und unter strikter Einhaltung der Abstandsregel Sport treiben.
Forderung II: Da es jederzeit denkbar ist, dass die Inzidenz wieder die Marke von 200 überschreitet, soll die Sportausübung zu zweit unabhängig von Inzidenzwerten und Herkunft der Haushalte sofort wieder ermöglicht werden und dauerhaft zulässig bleiben. Diese Diskriminierung des Sports gegenüber sonstigen sozialen Zusammenkünften zu zweit ist den Sporttreibenden nicht zu vermitteln, für den organisierten Sport schlicht inakzeptabel und möglicherweise auch nicht im Sinne des Verordnungsgebers.
Forderung III: Eine geänderte Interpretation der Formulierung zu den Mannschaftssportarten, um somit eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Sportarten, bei denen das Training zu zweit aufgrund der Sportart möglich ist, zu vermeiden.
Der Sport fällt aktuell trotz seines Stellenwertes für die Gesundheit, für die Psyche, die Entwicklung unserer Kinder und für ein mehr an Lebensfreude hinten runter. Offensichtlich haben die zahlreichen wissenschaftlichen Expertisen über die negativen Auswirkungen der Bewegungsarmut auf Körper und Geist bei den politischen Entscheidungsträger*innen letztlich doch wenig Gehör gefunden. Der Sport, unsere Vereine, die Übungsleiter*innen, Trainer*innen, Eltern und Sportler*innen haben im vergangenen Sommer bewiesen, dass wir gemeinsam mit einem sehr verantwortungsbewussten Umgang mit den Lockerungen und überzeugenden Hygienekonzepten einen immens wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Pandemie leisten können. Nun aber werde in Kauf genommen, dass sich auf Bolzplätzen, Spielplätzen oder im privaten Raum Kinder, Jugendliche und auch junge Erwachsene treffen – fernab von Regeln, fernab einer Betreuung durch Übungsleiter*innen oder Trainer*innen, fernab von mittlerweile erprobten und ausgereiften Hygienekonzepten – und so sicherlich nicht der Teil der Lösung, sondern eher Teil des Problems der Pandemie werden. „Die Verbände und Vereine haben längst verstanden, dass es bei der Öffnung des Sports aktuell nicht um Leistung, Wettkampf, Punkte, Zeiten und Weiten geht“, sind sich LSB und Sportbünde einig. „Es geht um die Rolle des Sports als soziale Tankstelle unserer Gesellschaft.“