Sport ist unverzichtbarer Bestandteil / Interview mit Bildungsministerin Hubig

Keine Kürzungen der Sportstunden

10.02.2023 –  LSB-Pressestelle

Wie geht es mit dem Sportunterricht in den Grundschulen weiter? Vor wenigen Tagen konnte man lesen, dass Mathematik und Deutsch mehr Stunden erhalten sollten und Sport ein Fach sein könnte, das darunter leidet. SportInForm konnte mit der Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig sprechen und erfahren, wie die sportliche Zukunft der Grundschulen aussieht, ob der Sportunterricht wirklich gekürzt werden soll, wie der aktuelle Stand der Schulsportinitiative ist und wie die Zahl der Kinder, die schwimmen können, gesteigert werden soll.

Frau Ministerin Hubig, im Sommer 2022 wurde die Schulsportinitiative RLP veröffentlicht. Der Schulsport sollte „mit Wumms aus der Krise geführt“ werden. Gibt es schon erste Erfolge bzw. wie ist der aktuelle Stand?

Die Schulsportinitiative ist mit beachtenswerten Maßnahmen gestartet. Das Online-Tool www.schulsportideen.de und das interaktive Sportlehrwerk „Mein Sportbuch!“ für Grund- und Förderschulen sind echte Highlights. Abgerundet wird das Ganze durch eine neue Fortbildungsreihe zum Turnen im Leistungskurs Sport und einer Handreichung zur Sicherheit im Gerätturnen. Ich möchte aber betonen: Die Schulsportinitiative ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Deshalb sind die bisherigen Maßnahmen nur der Auftakt und weitere in Vorbereitung.

Wie passt dann dazu, dass vor wenigen Wochen in der Allgemeinen Zeitung zu lesen war, die Anzahl der Sportstunden in der Grundschule könnten für ein Mehr an Lesen, Schreiben und Rechnen reduziert werden? Eltern, Sportlehrer*innen und -funktionär*innen waren gleichermaßen erstaunt, ja sogar verärgert.

Um es ganz klar und deutlich zu sagen: Eine Kürzung der Sportstunden ist nicht vorgesehen. Es gibt auch keinen Grund dafür, weil sich Rheinland-Pfalz im Fach Mathematik mit 20 Lehrerwochenstunden schon jetzt im Rahmen dessen bewegt, was Bildungswissenschaftler der Kultusministerkonferenz empfehlen. Im Fach Deutsch liegen wir ebenfalls nur minimal unter der Vorgabe. Insofern gibt es keine Notwendigkeit, zugunsten dieser Fächer an anderen zu sparen – auch nicht am Sportunterricht. Bewegung, Spiel und Sport sind unverzichtbare Bestandteile einer ganzheitlichen kindlichen Entwicklung. Dabei ist Sportunterricht ein zentraler und wichtiger Bestandteil im Alltag der Schülerinnen und Schüler. Und das bleibt auch so.

Wie sehen die Gedankenspiele konkret aus – müssen Kinder in Zukunft mehr Sitzen und weniger Rennen, Springen und Werfen?

Auf gar keinen Fall, das Gegenteil ist der Fall. Im Dezember habe ich mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus den Kultusministerien über die Entwicklung der bewegungsfördernden Schule in den einzelnen Ländern ausgetauscht. Wir sind hier in Rheinland-Pfalz auf einem guten Weg zu mehr Bewegung im Schulalltag.

Können Sie ausschließen, dass Sport in Grundschulen reduziert wird?

Wie der Sportunterricht vor Ort konkret ausgestaltet wird, entscheiden die Grundschulen in eigener Verantwortung. Sie sind dabei gebunden an die verbindlichen Vorgaben der Lehrpläne. Aus Sicht des Bildungsministeriums kann ich nur versichern: Eine Verringerung der Sportstundenzahl in der Stundentafel ist nicht geplant.

„Eine Verringerung der Sportstundenzahl in der Stundentafel ist nicht geplant“

Im Dezember 2022 fand – auch unter Beteiligung des Bundesbildungsministeriums – der Bewegungsgipfel statt. In der Gipfelerklärung steht: Bewegung, Spiel und Sport sind seit jeher wesentliche Bestandteile ganzheitlicher frühkindlicher, schulischer und non-formaler Bildung. Die Länder wollen Sport stärken, zum Beispiel durch die Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des Sportunterrichts. Was können wir in Rheinland-Pfalz erwarten?

Wir denken Bewegung, Spiel und Sport ganzheitlich, dieser Aspekt zieht sich durch die ganze Bildungskette und wir fördern Sport auf den verschiedensten Leistungsniveaus. Damit fangen wir schon bei den Kleinsten an. Derzeit sind in Rheinland-Pfalz 145 Kitas als Bewegungskitas zertifiziert. In Kooperation mit dem Landessportbund können sich Grund- und weiterführende Schulen als Partnerschulen des Sports qualifizieren lassen. Doch wir haben auch die Spitzenathletinnen und Spitzenathleten von morgen im Blick. Seit August 2022 gibt es drei Partnerschulen des Leistungssports neben den beiden vom DOSB ernannten Eliteschulen des Sports, dem Heinrich-Heine-Gymnasium in Kaiserslautern und dem Gymnasium auf der Karthause in Koblenz. Die bereits erwähnte Schulsportinitiative hat mit ihren starken Netzwerkpartnern die Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des Sportunterrichts im Blick.

Experten gehen konform, dass Lernen leichter fällt, wenn genügend Bewegungsangebote vorhanden sind. Davon profitieren doch gerade Kinder aus „bewegungsarmen“ Familien, richtig?

Dieser Ansatz ist vollkommen richtig. Unser bildungspolitischer Anspruch ist es, diejenigen Schülerinnen und Schüler besonders zu fördern, die aufgrund ihrer Herkunft, ihrer sozialen Situation und der Lage ihrer Familien besondere Unterstützung benötigen. Das ist meine Vorstellung von Bildungsgerechtigkeit. Und das heißt auch: Wir brauchen Bewegungsangebote, die diejenigen erreichen, bei denen sie „von Haus aus“ fehlen.

Was halten Sie von der Forderung nach einer täglichen Sport- und Bewegungseinheit mindestens an den Grundschulen – und wie realistisch ist eine zeitnahe Umsetzung?

Man muss bei dieser Frage berücksichtigen, dass die Stundentafeln der Grundschulen ausgefüllt sind. Zudem ist das Angebot an Sportanlagen je nach Schulen sehr unterschiedlich. Mit der bewegungsfördernden Schule und der Kooperation mit unseren starken Partnern sind wir jedoch auf einem guten Weg. Außerdem bietet die Ganztagsschule, die wir massiv ausgebaut haben und weiter stärken, sehr viele Möglichkeiten für mehr Sport.

„Mit den bestehenden Kooperationen mit den Vertretern des organisierten Sports haben wir ein gutes Fundament geschaffen. Das gilt es zu sichern und auszubauen.“

Teilen Sie die Auffassung, dass es wichtiger denn je ist, das schulsportliche Netzwerk und insbesondere hier die Partnerschaft zu den Sportvereinen auch mittel- und langfristig zu stärken und auszubauen?

Ja, diese Auffassung teile ich. Mit den bestehenden Kooperationen mit den Vertretern des organisierten Sports haben wir ein gutes Fundament geschaffen, zum Beispiel mit „Sport in Schule und Verein“, der Aktion „Bewegter Advent“, eine gemeinsame Landesinitiative des LSB, der Sportbünde und von „Land in Bewegung“ oder auch den schulsportlichen Wettbewerben wie „Jugend trainiert für Olympia“. Das gilt es zu sichern und auszubauen. Und auch die jährlich rund 270 Freiwilligendienstleistenden in Trägerschaft der Sportjugend des LSB, die an Ganztagsschulen und in Sportvereinen eingesetzt sind, sind wichtig für Bewegung im schulischen Alltag.

Ab August 2026 kommt die stufenweise Einführung des Rechtsanspruchs auf eine ganztägige Betreuung und Förderung von Kindern im Grundschulalter. Wie sind Ihre Vorstellungen für die notwendigen Rahmenbedingungen? Ist denn in diesem Zusammenhang davon auszugehen, dass es eine bedarfsgerechte qualitative und quantitative Verankerung von täglichen Bewegungs- und Sportangeboten gibt?

Auch im Ganztag kommt dem Sport eine besondere Bedeutung zu. Vielfältige Sport- und Bewegungsangebote bereichern den schulischen Alltag. Es gibt schon viele großartige Angebote, auch dabei arbeiten Schulen und Vereine eng zusammen und profitieren somit beide. Unsere Fachreferate arbeiten intensiv daran, diese Angebote noch mehr zu erweitern und zu verbessern.

Sport ist Gesundheitsförderung, ja verbessert das Leben. „Schwimmen rettet Leben“, heißt es an nächster Stelle. Wie sehen sie die aktuelle Situation im Schwimmunterricht in Grundschulen?

Bundesweit hat die Corona-Pandemie Defizite in der Schwimmausbildung nach sich gezogen. Wir unterstützen die Schulen, diese Rückstände aufzuholen. In einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz ergeben sich regional große Unterschiede. In einigen Bezirken sind wir mit der Entwicklung sehr zufrieden, in anderen arbeiten wir an Unterstützungsangeboten. Wichtig ist, dass wir nach wie vor über genug Sportlehrkräfte verfügen, Sport ist in Rheinland-Pfalz kein Mangelfach. Stärker ist das Fehlen von Wasserzeiten in den Schwimmbädern zu spüren.

Welche Ansätze sehen Sie, die Zahl der schwimmfähigen Kinder in den nächsten Jahren deutlich zu steigern – auch finanziell?

Die Wichtigkeit des Themas für die Landesregierung lässt sich daran ablesen, dass wir es in den Koalitionsvertrag aufgenommen haben. An zahlreichen Runden Tischen versuchen wir, lokal die Situation rund um das Schwimmen zu verbessern. Wir erhöhen die Zahl der Fortbildungen, um zusätzlichen Lehrkräften die Unterrichtsberechtigung Schwimmen zu erteilen, insbesondere an den Grundschulen. Zudem fördern wir Projekte und Kooperationen rund um das Schwimmen. Dazu sind bereits Mittel in den Haushalt eingestellt.

Was fällt Ihnen ein zu: „Dein Verein: Sport nur besser!“

Ich begrüße diese gemeinsame Kampagne vom DOSB und vom Bundesinnenministerium sehr. Starke Sportvereine sind Kitt unserer Gesellschaft. Sie sorgen für eine bewegte Zukunft unseres Landes und vermitteln Werte wie Fairness, Respekt und Sozialkompetenz.

Letzte Frage: Sind Sie Mitglied in einem Sportverein und wie halten Sie sich für den herausfordernden Ministerinnenjob sportlich fit?

Im Moment fehlt mir einfach die Zeit für einen Sportverein. Aber das hindert mich nicht, möglichst oft – aber nicht oft genug – zu laufen und zu schwimmen.

VITA

  • 2001 bis 2005: Referentin bei Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, ab Oktober 2002 bei Brigitte Zypries
  • 2005 bis 2008: Leitung Referat „Kabinett- und Parlamentsangelegenheiten, Grundsatzfragen des Gesetzgebungsprogramms“ Bundesjustizministerium
  • 2008 bis 2009: Spiegelreferentin Staatskanzlei RLP
  • 2009 bis 2014: Leiterin Abteilung „Strafrecht“ Ministerium der Justiz RLP
  • 2014 bis 2016: Staatssekretärin und Amtschefin Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
  • seit Mai 2016: Staatsministerin Ministerium für Bildung RLP